Aktuell:
Stilles Gedenken zum Jahrestag am 4. Mai 2024 am Gedenkstein
Jan Effinger (Volksbund) hat zu Beginn in seinem Redebeitrag einen Überblick zur deutschen Erinnerungskultur geben (hier nachzulesen). Die musikalische Untermalung kam vom Saxophonisten Daniel Gebauer.
Was geschah am 4. Mai 1945 am Timeloberg?
Kapitulation am Timeloberg
In der Nähe von Lüneburg, auf dem Timeloberg bei Wendisch Evern, wurden am 4. Mai 1945 das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa und damit die Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eingeleitet. Hier unterzeichnete eine Delegation des Oberkommandos der Wehrmacht die bedingungslose Kapitulation aller deutschen Truppen in Holland, Nordwestdeutschland, Schleswig-Holstein und Dänemark gegenüber der britischen Armeeführung unter Feldmarschall Bernard L. Montgomery. Die Waffenruhe trat am 5. Mai um 8.00 Uhr in Kraft. In den Niederlanden und in Dänemark ist dieser Tag bis heute Gedenk- bzw. Nationalfeiertag.
Für den formellen Akt der Teilkapitulation wurde bewusst der Timeloberg ausgewählt. Von dieser höchsten Erhebung im Umkreis von Lüneburg blickte man herab auf die Türme einer besiegten deutschen Stadt. Feldmarschall Montgomery nannte den Hügel deshalb „Victory Hill“. Von hier aus begab sich die deutsche Delegation weiter ins amerikanische Hauptquartier in Reims und anschließend, am 8. Mai 1945, ins sowjetische Hauptquartier in Berlin-Karlshorst. Die Teilkapitulation auf dem Timeloberg kann daher als Einleitung der deutschen Gesamtkapitulation angesehen werden.
In der deutschen Erinnerungskultur ist das Kapitulationsereignis bei Lüneburg lange Zeit verdrängt oder schlicht vergessen worden. Diese Website der Projektgruppe Timeloberg will dazu beitragen, es als Ausgangspunkt für eine Epoche des Friedens und der Freiheit in Europa sowie der Aussöhnung und Freundschaft mit den Nachbarländern begreiflich und einem breiten Publikum bekannt zu machen.
Gedruckte Information:
Das Grusswort vom Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil zu den Gedenkveranstaltungen am 4. Mai 2021 finden Sie hier
Fotos vom Timeloberg im 4. Mai 1945
Der Timeloberg in der deutschen Erinnerungskultur
von Jan Effinger
Eingang in die deutsche Erinnerungskultur fand die Teilkapitulation auf dem Timeloberg erst 50 Jahre nach dem Ereignis. Am 4. Mai 1995 wurde ein neuer Gedenkstein errichtet, diesmal nicht auf dem Timeloberg – der ist bis heute Bestandteil eines militärischen Übungsplatzes – sondern an dessen Fuße. Der damalige niedersächsischen Kultusminister Prof. Rolf Wernstedt weihte diesen Gedenkstein ein. Er trägt die Inschrift „Kapitulation auf dem Timeloberg – 1945 – 4. Mai – 1995 – Nie wieder Krieg“. Schon Mitte September des Jahres warfen Unbekannte den Stein um.
2002 zerstörten Unbekannte dann die Inschrift. Daraufhin wurde der Stein gedreht und neu graviert. Die Behörden beschlossen, ein Hinweisschild an der Kreisstraße zu entfernen, um einer Wiederholung solcher Taten vorzubeugen.
Seit 1995 fanden auch größere Gedenkveranstaltungen zum Ereignis statt, im 10-Jahres-Rhythmus: 1995 noch mit Teilnahme der Söhne von Montgomery und von v. Friedeburg, ab 2005 waren es dann die Enkelkinder. Auch der seit 2006 jährlich Anfang Mai stattfindende „ZeitlosLauf“ lenkt in kontinuierlicherer Form Aufmerksamkeit auf den Gedenkstein und damit auf das historische Ereignis. Die wesentliche Motivation für diese Gedenkveranstaltungen war und ist stets die Interpretation der Kapitulation auf dem Timeloberg als Ausgangspunkt für eine Epoche des Friedens und der Freiheit in Europa sowie der Aussöhnung und Freundschaft mit den Nachbarländern.
2018 hat sich dann eine Projektgruppe zusammengefunden mit dem Ziel, den Ort und das Ereignis größeren Kreisen bekannt zu machen. In einem ersten Schritt wurde der Gedenkort mit Informationstafeln versehen: Gedenksteine bedürfen mit zunehmender zeitlicher Distanz zum historischen Ereignis, das zu ihrer Errichtung geführt hat, umso mehr der Information, der Erklärung und Einordnung. Nur so können sie als steinerne Zeugnisse eines vergangenen Geschehens genutzt werden als pädagogische Ressource z.B. für den schulischen Geschichts- oder Politikunterricht. Dabei war die Erstellung dieser Informationstafeln selbst schon ein Projekt der historisch-politischen Bildungsarbeit mit Jugendlichen: Schülerinnen und Schüler eines Geschichtskurses der 12. Jahrgangsstufe an der Wilhelm-Raabe-Schule in Lüneburg erarbeiteten die Grundlagentexte für die Geschichtstafeln. Am 4. Mai 2019 wurden die darauf basierenden vier Tafeln der Öffentlichkeit übergeben.
Mit diesem Tag wurde eine neue Qualität in der Memoration des Ereignisses Kapitulation auf dem Timeloberg erreicht. Aber warum hat dies so lange gedauert?
Der ehemalige Kultusminister, Landtagspräsident a.D. und langjährige Landesvorsitzende des Volksbundes in Niedersachsen, Prof. Rolf Wernstedt, hat in seiner Gedenkrede zur Veranstaltung von 2015 einige wichtige Hinweise zur Beantwortung dieser Frage geliefert. Er sagte dort mit Blick auf die sog. Vergangenheitsbewältigung während der ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland:
„Der Versuch, die nationalsozialistische Periode deutscher Geschichte als das Werk weniger Übeltäter hinzustellen, kam dem Wunsch der meisten Deutschen entgegen, jede Beteiligung, Billigung oder Mitverantwortung zu bestreiten. Viele glaubten das wirklich. Es ist und war eine monströse Selbsttäuschung. So kam es, dass die meisten Deutschen die Kapitulationen als Tag der Erlösung vom Krieg, aber nicht als Tag der Befreiung von einer gnadenlosen Diktatur erlebten.“
Die deutsche Gesellschaft war tatsächlich erst Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – erwähnt sei hier die berühmte Rede von Bundespräsident Weizsäcker zum 8. Mai 1985 -– bereit, die Kapitulation der Wehrmacht als Akt der Befreiung vom Nationalsozialismus zu akzeptieren. Und heute gibt es erstarkende politische Kräfte in diesem Land, die diesen Schritt nur zu gern wieder umkehren würden.
Es ist darum unerlässlich, die Dinge beim Namen zu nennen: Die Verbrechen der Nationalsozialisten waren nur– und das war spätestens seit dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 klar – durch die militärische Niederlage Deutschlands zu stoppen. Das ist die historische Tragödie der Deutschen: Es nicht aus eigener Kraft und Antrieb geschafft zu haben, den Verbrechen ein Ende zu setzen. Genau aus diesem Grund kommt dem formalen Akt der Beendigung des Krieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft diese große nicht nur historische, sondern auch erinnerungspolitische Bedeutung zu.
Ausstellung des Volksbundes
Zum Kapitulationsereignis wurde vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. eine Ausstellung konzipiert, die schon an vielen Orten in der Region gezeigt wurde. Rechts kann die Onlineversion der Ausstellung abgerufen werden, die zusätzliches Bildmaterial enthält.
Gedenkfeier am 4. Mai 2019 zur Übergabe von Informationstafeln
Um den Gedenkort Timeloberg aufzuwerten und das dort lokalisierte zeithistorische Ereignis am Kriegsende im Mai 1945 besser bekannt zu machen, hat die Projektgruppe Timeloberg Informationstafeln erarbeitet und realisiert. Zur Projektgruppe gehören die Gemeinde Wendisch Evern, die Samtgemeinde Ostheide, der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, die Wilhelm-Raabe-Schule aus Lüneburg und die Initiativen ZeitlosLauf und Timeloberg. Die Infotafeln, eine Übersichtstafel und drei Pulttafeln, beleuchten das historische Ereignis und den Umgang mit dem Gedenkort in der Nachkriegszeit und stellen die friedenspolitische Bedeutung des Ortes als Ausgangspunkt für Mahnungen zur Völkerverständigung heraus.
Während einer Feierstunde am 4. Mai 2019 wurden diese Informationstafeln der Öffentlichkeit und in die Obhut der Gemeinde Wendisch Evern übergeben. Zu der Veranstaltung waren viele Bürger aus der Region gekommen, die nach den Grußworten des Bürgermeisters von Wendisch Evern, Clemens Leder, des Samtgemeindebürgermeisters Norbert Meyer und von Dr. Dirk Hagener, Sprecher der Projekgruppe Timeloberg, beeindruckenden Beiträgen von Schüler*innen der Wilhelm-Raabe-Schule und der Festrede von Professor Rolf Wernstedt folgen konnten. Der ehemalige niedersächsische Kultusminister und Landtagspräsident erinnerte in seinem Vortrag an die Ereignisse der Vergangenheit und zog einen Bogen bis hin zu aktuellen Entwicklungen in der Gegenwart. Ihm war es wichtig, in der Kapitulation neben dem Ende der Kriegsschrecken insbesondere auch eine Befreiung und Chance für einen europäischen Neuanfang zu sehen. Das „Friedensprojekt Europa“ liege ihm dabei besonders am Herzen, daher mahnte er auch vor der sich immer deutlicher zeigenden Rückkehr zu nationalem Denken, das sich auch im drohenden „Brexit“ zeige.
Die Feierstunde wurde von musikalischen Beiträgen, unter anderem der Europahymne, untermalt. Die Veranstaltung wurde in der Mehrzweckhalle in Wendisch Evern fortgesetzt, wo auch die Ausstellung des Volksbundes zur Kapitulation auf dem Timeloberg zu sehen war.
Links:
Artikel in der Landeszeitung Lüneburg
Inhalte der Infotafeln:
Fotos von der Infotafelübergabe am Gedenkort (Fotos: M. Quante; durch Klick vergrößerbar)
Weiteres Material zur Kapitulation
Kurze Filmdokumente aus dem Bundesarchiv zum Mai 1945
"... let us now win the peace!"
dieses Video ist auch über den Zappar-Code zuerreichen:
(zum Aktivieren die App Zappar auf Ihr Smartphone herunterladen und nach dem Öffnen die Kamera auf das obige Symbol richten; das Video läuft dann auf Ihrem Smartphone ab)
Bilder aus dem Mai 1945
Bilder vom Originalort
So zeigt sich der Originalort des ersten Gedenksteins heute. Er liegt im militärischen Sperrgebiet. Man sieht die Bodenplatte des Denkmals und Reste des Fundaments des Wachhauses.
Handschriftliche Notizen von General Montgomery
Ein externer Beitrag zum Kapitulationsereignis
Hier finden Sie einen Internetbeitrag des Historikers Michael Grube zum Kapitulationsereignis...
Der „ZeitlosLauf“ erinnert an das Kapitulationsereignis
Der ZeitlosLauf ist ein Volkslauf am Timeloberg, der von Wendisch Everner Bürgern initiiert wurde und seit dem Jahr 2006 jährlich durchgeführt wird. Der Lauf soll am zeithistorischen Ort an die Teilkapitulation am 4. Mai 1945 erinnern und die auf dem aktuellen Gedenkstein zu lesende Inschrift „Nie wieder Krieg“ unterstreichen. Der Lauf hat also eine erinnernde und eine friedenspolitische Intention und ist der Völkerverständigung gewidmet.
Über die letzten Jahre konnte dadurch das in der Region bedeutendste zeithistorische, jedoch allgemein weniger bekannte Ereignis vielen Bürgern aus dem Ort und der Umgebung nähergebracht oder in Erinnerung gerufen werden.
Die zweite Bedeutung im Namen des Laufs hat mit der nicht stattfindenden Zeitnahme zu tun. Es ist also in dem Sinne kein Wettlauf, wodurch vielen Laufanfängern und Gelegenheitsläufern die Scheu vor der Teilnahme genommen werden soll.
Mehr dazu hier...
Bürgermeister für den Frieden (Mayors for Peace)
Im zweiten Jahr des ZeitlosLaufs haben die Koordinatoren den Beitritt der Gemeinde Wendisch Evern zur internationalen Nichtregierungsorganisation „Mayors for Peace“ (Zur Seite von Mayors for peace) angeregt. Der Beitritt wurde durch den Rat der Gemeinde einstimmig beschlossen und erfolgte im Jahr 2007. Im Jahr 2008 hat der Bürgermeister von Hiroshima als Vorsitzender der internationalen Friedensorganisation dem ZeitlosLauf ein Geleitschreiben geschickt (Zum Schreiben des Bürgermeisters Akiba).
Bemerkung zu dieser Webpräsenz
Am Ort der ersten Teilkapitulation am Ende des 2. Weltkriegs, dem Timeloberg in Wendisch Evern, wurden am 4. Mai 2019 Informationstafeln zum zeithistorischen Ereignis und zum gesellschaftlichen Umgang mit dem Gedenkort aufgestellt. Diese Aufwertung des Ortes wurde von einer Projektgruppe bestehend aus der Initiative Timeloberg, Dem ZeitlosLauf, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., der Wilhelm-Raabe-Schule, der Gemeinde Wendisch Evern, sowie der Samtgemeinde Ostheide initiiert und erarbeitet. Über diese Internetseite sollen zusätzliche Informationen bereitgestellt werden, die das vor Ort gezeigte Material ergänzen und vertiefen.
Kontakt zur "Projektgruppe Timeloberg" über Dr. Dirk Hagener (Sprecher) - Tel.: 04178 /1384 - Email: db.hagener@t-online.de
Mitglieder der Projektgruppe: Dirk Hagener, Karin Ose Röckseisen, Hans-Joachim Boldt (Initiative Timeloberg), Markus Quante, Asmus Borkenhagen (ZeitlosLauf), Jan Effinger (Volksbund), Ursula Strecker (bis 2020, Wilhelm-Raade-Schule), Clemens Leder, Christian Striepe (Gemeinde Wendisch Evern), Norbert Meyer (Samtgemeinde Ostheide) und Wolfgang Grämer (ab 2021)
Besuchen Sie auch die Seite https://www.timeloberg.de/
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- Bannerbild und Interview mit Jona Hoek: Aufgenommen und zur Verfügung gestellt von H.-J. Boldt
- Aufnahmen vom Originalschauplatz: Aufgenommen und zur Verfügung gestellt von M. Grube
- Alle Bilder aus dem Jahr 1945 zur Verfügung gestellt durch das Imperial War Museum